Blut, Schweiß und Tränen

Veröffentlicht am 15.08.2017 von Toni Schley
Nichts anderes hatte Großbritanniens legendärer Premierminister Churchill seinen Landsleuten zu bieten, um sich in einer GEMEINSAMen Kraftanstrengung gegen Nazi-Deutschland zu erwehren.
Schweiß floss am ersten Arbeitstag in Mengen, als sich am 5. Mai 2017 unter der Leitung des Fanprojektteams um Thomas „Becki“ Beckmann zahlreiche Freiwillige, vorwiegend aus der Aktiven Szene, am ehemaligen Alten Rohrlager zusammen fanden und erstmals Hand ans Fanhaus anlegten.
Den Tränen nahe waren jedoch einige Verantwortliche und Unterzeichner der Mietverträge, als sich „verborgene“ Bausünden offenlegten.
„Da“ kam plötzlich das Dach in Teilen durch. „Dort“ fehlte nach Freilegung ein massiver Querbalken, der bautechnisch und statisch erforderlich schien. „Hier“ durften nicht die vereinbarten, durch einen Sponsor schon vorfinanzierten Kunstofffenster eingebaut werden, weil das Fanhaus für Mainz in einem Gebäudekomplex entsteht, der ein Industriedenkmal (erbaut 1855) darstellt.
Einfach mal Fußleisten oder alte Holzböden entsorgen. Geht nicht! Selbst türkis-grünliche Fensterrahmenfarbe ist schützens- und demnach erhaltenswert.
Weine könnt ich, weine…so ein in Mainz geflügelter Satz, den Comedian und Mitunterstützer Sven Hieronymus in seinen wöchentlichen Nullfünf-Kolumnen etablierte.
Versicherungsrecht griff auch auf die eine oder andere Besonderheit zu, die im Eifer des Neuanfanges vernachlässigt wurde.
Freiwillige HelferInnen sind vor jedem Arbeitseinsatz namentlich zu erfassen, um bei eventuellen Arbeitsunfällen (da ist das Blut von Churchill – das WIR allerdings nicht brauchen!) Versicherungsschutz zu genießen. Sicherheitsschuhe, Brillen, Bauhelme, Mund- und Hörschutz wurden organisiert, um für den Fall der Fälle gesichert zu sein.
Auch der geplante, medienwirksamere erste Arbeitseinsatz zum 1. Mai musste wegen Feiertagsregelungen (Lärmschutz) gestrichen werden. So blieb es auch im Fanhaus, wie im gesamten Bundesgebiet: Am Tag der Arbeit schafft keiner was…
De Kram klappt!
…wie wir Määnzer sagen. Mittlerweile wurden (es ist immerhin ein Gebäudekomplex mit über 300qm!) in unzähligen Arbeitsstunden sämtliche Wände und Decken vom Putz befreit. Jetzt warten unterstützenden Handwerker darauf, Böden zu verlegen, Fenster zu setzen. All diese Betriebe, die uns sehr entgegen-kommen, müssen rechtlich abgesicherte Verträge mit dem Mieter (Fanprojekt Mainz e.V.) unterzeichnen.
In enger Verzahnung mit der Künstlerinitiative PENG, mit der wir uns eine Veranstaltungshalle teilen, fanden dort ebenfalls erste Instandsetzungsmaßnahmen statt. Bis hin zur Installation einer 3x3m große überdachten „Raucher-box“ außerhalb der Halle, die für spätere Konzerte und Festivitäten vorgeschrieben ist. Weine könnt‘ ich…
Strategisches Ziel der kommenden Arbeitsabschnitte ist es, zuerst die Räume der Fan-projekt-MitarbeiterIn bezugsfertig zu stellen. Inklusive eines Raumes für Helfer der neu-gegründeten Fanabteilung von Mainz 05. Damit entfallen für die engagierten SozialarbeiterIn zukünftig Miete und Liegenschaftskosten ihrer bisherigen Arbeitsstätte im Neustadtzentrum. Zudem die Doppelbelastung zweier parallelen Arbeitsstellen.
Zum Fanhaus für Mainz gehört eine riesige Freifläche die unterschiedlich nutzbar sein wird. Ein erstes Streetsoccer-Turnier, veranstaltet von der „Handkäs-Mafia Mainz“ um die rührigen Fanhaus-Team-Mitarbeiter Nils Friedrich und Sebastian May wurde bereits erfolgreich umgesetzt.
Genutzt hat dazu auch die „fantechnisch“ und strategisch günstige Anbindung zur Craftbier-Brauerei von Kuehn Kunz und Rosen. Die Bierbrauer (auch auf dem Gelände beheimatet) unterstützen unser Vorhaben von Beginn an. Nicht zuletzt wird es von KKR ein speziell gebrauchtes Bier geben. Prost Fanhaus!
Woher wir kommen – Macht und Ohnmacht (und wieder zurück)
Entschlossenes Handeln wurde notwendig, weil es so nicht mehr weitergehen konnte. Der berühmte letzte Tropfen, der das Fass endgültig überlaufen ließ, war im Sommer 2014 beim Hamburger SV e.V. die Umwandlung der Profifußball-Abteilung des mitgliedergeführten Vereins in eine Aktiengesellschaft. Es sind üblicherweise solch dramatische Veränderungen, die quer durch Europa neue fangeführte Vereine entstehen lassen. Wenn es im Sport nur noch um enthemmte Gewinnmaximierung geht und die Gier keine Grenzen mehr kennt. Wenn die Unersättlichkeit Dimensionen erreicht, die für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar sind, dann ist es nicht mehr verwunderlich, wenn sich treue Fans abwenden Sie verlieren ihr Zugehörigkeitsgefühl endgültig. Aber wohin nun mit der ganzen Frustration? Im Juni 2014 wurde von enttäuschten Anhängern des Hamburger SV ein neuer Verein gegründet, der HFC Falke. Die Namenswahl nimmt dabei bewusst Bezug auf zwei der drei Gründungsvereine des Hamburger SV: Hamburger FC von 1888 und FC Falke 1906. Das schwarz-blau geviertelte Abzeichen ist ebenso eine Reminiszenz an den dritten Gründungsverein, SC Germania, wie auch dessen Vereinsmotto “Dankbar rückwärts – mutig vorwärts”. Dieser neue Verein soll mitgliedergeführt sein und immer bleiben. Alle Veränderungen sollen demokratisch von den Mitgliedern entschieden werden. Es soll keine Investoren geben, von denen man sich abhängig macht. Der Verein soll eine Heimat bieten für alle Entwurzelten, egal von welchem Verein sie kommen. Aus Ohnmacht soll wieder handlungsfähiges Gestalten werden.
Wofür wir stehen – Die Falke-DNA
Die Falke-DNA soll in Worte fassen, was gar nicht so einfach in Worte zu fassen ist: wofür steht der HFC Falke und was macht diesen Verein besonders. Die Falke-DNA ist dabei abzugrenzen von der Satzung des Vereins. Die Satzung des HFC Falke e.V. ist Grundlage des Vereins, doch demokratische Teilhabe und kritische Mitbestimmung gehen über die Satzung hinaus. Im Unterschied zur Satzung ist die Falke-DNA ein „freiwilliges“, unverbindliches Dokument. Die DNA ist „lebendig“, d. h., sie kann zu jeder Zeit ergänzt und angepasst werden. Themen, die in der Satzung behandelt werden, sollen nicht zusätzlich in der DNA vorkommen (bspw. Zweck des Vereins, Vereinsfarben, Rechte und Pflichten der Mitglieder und Organe). Die Falke-DNA beschreibt den HFC Falke für die Öffentlichkeit. Außerdem dient sie den eigenen Mitgliedern als Identifikation und zusätzlich als ein Werkzeug zur Eigenkontrolle.
Der HFC Falke positioniert sich als ein „Gegenentwurf“ zum kommerziellen Fußball.
Die Beweggründe, sich als Fan vom Geschäft Profifußball zu entfremden, sind so unterschiedlich, wie die Mitglieder des HFC Falke. Beispielhaft genannt werden an dieser Stelle:
- Beschneidung von Fankultur
- Ertragsmaximierung und Vermarktung statt Verständnis für soziale Verantwortung
- „Kunden“ statt „Fans“
- unverhältnismäßige Preise (Eintritt, Verpflegung…)
- unbegreifliche Transfersummen
- unverträgliche Anstoßzeiten, Spieltagszersplitterung aufgrund von Auslandsvermarktung und TV-Begierde
- übermäßige Vermarktung
- intransparentes Verbandsverhalten / Korruption
- Verlust der Entscheidungsgewalt der Mitglieder, bspw. durch „Ausgliederung“
Doch so unterschiedlich die Beweggründe auch sind, eines eint die Mitglieder: die Überzeugung, dass ein „anderer“, „ehrlicher“ Fußball möglich und erstrebenswert ist.
Der HFC Falke soll eine Heimat für Fußballfans sein, die sich in unterschiedlichem Maße vom Profifußball abwenden und im Bereich des Amateursports einen Fußball suchen, der geringstmöglich durch die zuvor genannten negativen Entwicklungen belastet wird.
Der HFC Falke bedeutet FÜR etwas zu sein und nicht mehr nur DAGEGEN. Enttäuschung, Unverständnis und Wut über die Entwicklungen im Profifußball sollen in positive Energie gewandelt werden. Beim HFC Falke kann jeder selber mithelfen, einen „anderen“ Verein zu schaffen und weiter zu entwickeln. Der HFC Falke, das ist Demokratie, Mitgestaltung und der Sport als Ausdruck von Lebensfreude statt Geschäft. Der HFC Falke ist offen für alle Interessierten, die den Idealismus verstehen und sich begeistern lassen wollen. Dabei steht eines fest: Beim HFC wirken völlig unterschiedliche Menschen. Diese Vielfalt hat für den HFC Falke eine hohe Bedeutung und ist Grundkonsens der Mitgliedschaft. Daher wird an dieser Stelle bewusst darauf verzichtet, die üblichen Distanzierungs-Floskeln aufzuführen. Stattdessen wird, ganz Falke-like, festgestellt, was FÜR uns zählt: die gelebte Vielfalt als logische Folgerung des gesunden Menschenverstandes.
Der HFC Falke steht für einen grundsätzlichen Idealismus, der die Zwänge des kommerziellen Fußballs und seiner Strukturen ständig in Frage stellt. Der HFC Falke sieht sich als Förderer von Fankulturen (bspw. Zaunfahnen, Gesänge, Bier). Besucher der Spiele werden als wertvolle, individuelle Überzeugungstäter begrüßt und nicht als „Kunden“ bewertet. Ziel ist nicht die wirtschaftliche Optimierung, sondern ein lebendiger, aktiver und von überzeugten Mitgliedern getragener Verein mit einer entsprechenden Atmosphäre. Dabei agiert der HFC Falke nicht losgelöst von finanziellen Zwängen. Allerdings gilt es, diesen mit Augenmaß zu begegnen und nur in einem bestimmten Maße Zugeständnisse zu machen, die die Ziele und Überzeugungen dieser Falke-DNA nicht gefährden. Der HFC Falke benötigt ein gewisses Maß an finanziellen Mitteln, um die Leidenschaft Fußball zu ermöglichen. Im Unterschied zum kommerziellen Fußball ist es allerdings nicht unser Ziel, mit Fußball Geld zu verdienen. Der HFC Falke will, dass der Fußball GEMEINSAMES EIGENTUM der Fans ist und Vereine zum Wohle der Mitglieder geführt werden.
Der HFC Falke besteht sowohl aus seinen aktiv im Verein Sport treibenden Mitgliedern, als auch aus den fördernden Mitgliedern (Fans). Die fördernden Mitglieder machen dabei bisher die Mehrheit der Vereinsmitglieder aus. Hierin besteht ein Unterschied zu vielen anderen Amateurvereinen. Der HFC Falke möchte ganz bewusst ein Verein für Fan-Mitglieder sein. Ziel ist es, seine Mitglieder aktiv in das Vereinsgeschehen einzubinden. Abstrakt lässt sich dies so beschreiben, dass es neben der aktiven Sportart „Fußball“ auch die Sportart „Anhänger“ gibt. Dementsprechend sollen Entscheidungen sowohl unter der Prämisse einer sportlichen Entwicklung als auch einer Förderung der Fanverbundenheit gefällt werden. Der HFC Falke möchte seine Mitglieder explizit zum Mitmachen und Mitbestimmen animieren. Dabei wird einer ständigen Diskussionskultur eine bedeutende Rolle zugemessen. Aufgabe der Verantwortlichen des HFC Falke ist es, der Mitgliedschaft Entscheidungen transparent darzustellen, um eine Teilhabe zu ermöglichen. Direkte Kommunikation ist wünschenswert. Die Mitglieder werden ermutigt, sich eigenverantwortlich und nach eigener Vorstellung einzubringen. Der HFC Falke ist offen für neue Ideen und Vorschläge.
Der HFC Falke möchte, dass möglichst viele Aufgaben intern von Vereinsmitgliedern übernommen werden („Fleißige Falken“). Hierzu zählen sowohl regelmäßige Aufgaben (bspw. Trikots waschen), solche, die im Zuge eines Spieltages anfallen (Einlass, Verpflegung, Stadionsprecher etc.), als auch einmalige (Bauarbeiten). Daher fördert der HFC Falke bewusst ehrenamtliches Engagement durch die Wahl eines Ehrenamtsbeauftragten. Durch besondere Veranstaltungen und Aktionen für fleißige Falken soll deren Einsatz entsprechend gewürdigt werden. Die Vergabe von Leistungen an Externe soll nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen.
Wohin wir wollen
Egal, wen man im Falke-Umfeld fragt, der größte Wunsch für die Zukunft ist oft derselbe: eine eigene Heimat in Form eines eigenen Platzes. Eine feste Heimat bietet dem Verein die Grundlage für Wachstum und Weiterentwicklung. So laufen bereits seit Jahren Planungen für eine Jugend- und Damenabteilung. Allein, aktuell fehlt es an der nötigen Infrastruktur. Die Herren-Mannschaften trainieren auf drei bis vier verschiedenen Anlagen, die besonders im Winter auch im Laufe der Saison kurzfristig gewechselt werden müssen. Was dort mit enormen Aufwand (noch) gelingt, ist im Jugendbereich unmöglich. Ohne verlässliche Trainingszeiten an einem festen Ort kann eine seriöse Jugendarbeit nicht erfolgen.
Der HFC Falke will kein “Wanderfalke” mehr sein, sondern in einem Stadtteil Hamburgs ein Zuhause finden und sich dort aktiv einbringen. Einerseits der Jugend die Möglichkeit geben, fokussiert zu kicken, andererseits der Gesellschaft etwas zurückgeben und mit sozialen Aktionen aufwarten. Im Optimalfall gibt es eines (nicht allzu fernen) Tages eine eigene Anlage für den HFC Falke, die zum Fußballspielen und für das Fanleben genutzt werden kann. Diese Anlage soll eng mit der Nachbarschaft verzahnt sein und so auch über den Sport hinaus eine gesellschaftliche Bedeutung haben.
Ein abgeriegeltes Areal, das nur von Falke-Spielern und -Mitgliedern betreten werden darf, wird nicht gewünscht. Viel lieber soll es ein Platz sein, der ein Treffpunkt für den Stadtteil wird und dessen Infrastruktur auch von anderen Vereinen und Gemeinschaften genutzt wird.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Themen, die der Falke-Mitgliedschaft für die Zukunft wichtig sind. Neben dem sportlichen Erfolg, der eines Tages in der Oberliga seinen Höhepunkt finden soll, wollen wir weiterhin ein Mitmachverein bleiben. Entscheidungen sollen weiterhin gemeinsam getroffen werden. Gesprächskultur soll auch in Zukunft den HFC Falke auszeichnen. Jeder der sich im Verein einbringen will, soll die Möglichkeit dazu haben.
Der HFC Falke bleibt seinen Werten und Idealen treu und wird als mitgliedergeführter Verein weiterhin leistungsorientierten Fußball spielen.
HFC Falke e.V. | Dankbar rückwärts – mutig vorwärts.